VulkanischeBerge

Sizilianische Träume

Ein Gedichtezyklus

1. In der Straße von Messina

Im Traume segelte ich
über die Stretta di Messina,
fiel über Bord und tauchte
tief hinunter
bis zum Meeresgrund.
Erwachend
im Bauche einer griechischen Galeere
fand Gold  ich und Edelstein zuhauf
und in riesigen Amphoren
Speis und Trank.
Als Galionsfigur mit kühnem Blick
den Winden trotzend
segle fortan ich  in meinen Träumen
durch die Zeiten,
Vergangenheit und Gegenwart
vereinend.

2. Städte aus Tausendundeiner Nacht

Agrigento,
im Blütental der Tempel,
Palermo,
wo Allahs Architekten
wirkten,
Siracusa,
antiker Hafen
am blauen Meer,
Taormina,
kühn gebaut
in schwindelnden Höhen:

Städte mit Namen
wie aus Märchen
von Tausendundeiner Nacht
sah ich
mit staunenden Augen:
mystische Orte,
geschaffen vom Genius
großer Künstler 
im Banne  großer Weltreligionen,
atemberaubende Zeugnisse
der Vergangenheit.

3. Auf Odysseus‘ Spuren

Auf Odysseus‘ Spuren
folgte ich den lauen Lüften
hinaus aufs Meer,
hielt Ausschau nach Äolus,
dem Gott der Winde,
damit er mir gäbe
für meine Segel
genügend Wind
für allzeit gute Fahrt.

4. Vulkano

Vulcanus,
Gott der Schmiede,
und Äolus,
Gott der Winde,
haben Dich,
Vulcano,
erschaffen
aus Feuer und Wind,
gehüllt in ein stolz‘ Gewand
aus Gold,
in gelb und grün,
giftig in der heißen Sonne
schillernd.
Heiße Wasser brodeln,
Schwefeldämpfe steigen
hoch in des Himmels
strahlend Blau.
Barmherzig linderst du
so manchen Schmerz,
zerstörst gnadenlos
zugleich
so vieler Menschen Traum.

5. Ätna

Aufgestiegen aus dem Meer
bist du,
Ätna,
stolzer Berg
der du gebietest
als Herrscher über Leben und
Tod,
verteilst Gottgleich
Reichtum und
verheerende Not.
Dauernd in Bewegung
bist du,
Ätna
alles beherrschend
hältst du
seit ewigen Zeiten schon
dein Zepter übers Land.
Wie klein und
machtlos
sind wir Menschen doch
angesichts deiner Kraft.

6. Nymphe Artusa

Abends am Papyrus-Brunnen
bin ich dir begegnet,
Nympe Artusa.
Ich sah dich weinen,
beklagen  bitterlich
dein schrecklich Los,
allein zu sein
in diesem fremden Land.
Alpheus heißt der Mann,
der dich begehrt und den
du haßt,
der mächt'ge Flußgott ist er.
Nicht erwehren kannst du dich
seiner starken Arme Kraft,
nicht ertragen
seiner heißen Blicke Glut.
Die Seine mußt du werden,
du weißt es ganz genau.
und deine Tränen
werden fließen
immerdar
in diesem Brunnen hier.

7. Siracusa

Unter Siracusas Sternenhimmel
wandelte ich des Nachts,
als sie mir begegneten:
Schweigend schritten sie
gesenkten Hauptes durch die Gassen:
allen voran Sappho,
leise ein Gedicht rezitierend,
gefolgt von Epikarm und Pindar.
Zu Aischylos
gesellte sich Platon,
beide tief verloren in Gedanken.
Im diffusen Licht des Hafens
verschwanden sie.
Mir war’s als wären sie geflogen
hoch empor,
den Sternen zu,
von wo sie,
ich glaub' es fest,
vor vielen hundert Jahren
auch gekommen waren,
die Welt mit ihrem Geiste
zu erleuchten.

8. Stupor Mundi

In der Kathedrale von Palermo
im Sarkophag aus purpurrotem Marmor
hast du,
edler Federico,
vor mehr als 700 Jahren
die letzte Ruh‘ gefunden.
Einer der Großen,
Enkel Barbarossas,
König von Sizilien,
Deutscher Kaiser
warst du
vor langer, langer Zeit.
Dein Werk
vollbracht in längst vergangnen Tagen
ist noch heut‘ in aller Munde.
Stupor Mundi,
die Welt staunt ob deiner Taten.
Alles Wissen deiner Welt war dir geläufig.
Gedichte schriebst du,
Bücher, die noch heute gültig.
Bildung war dein hohes Ziel,
Reformen dein Programm.
Stupor Mundi,
noch heute staunt die weite Welt
ob deiner wunderbaren Taten.


Anmerkung:

Diese Gedichtfolge stammt aus meinem Bericht
über eine wunderschöne Reise nach Sizilien im Jahr 2001


Copyright© Gisela  Bradshaw
Im März 2001/2013/update12/2021