Skurriles aus der Berliner Zeitung vom 29. November 2003
„Viel Spaß beim Lesen!
«An die Hausverwaltung!
Sehr geehrte Frau Haberditzel,
mit ein wenig guten Willen können Sie mir vielleicht behilflich sein.
Mit einem guten Willen, den mancher Berliner Handwerker aus seinem
gelegentlich boshafte Naturell heraus nicht aufbringen wird und will.
Ich werde erläutern, wie ich zu dieser Ihnen womöglich ungeheuerlichen
kündenden Zuschreibung geraten bin. Seit einigen Tagen dröhnt pünktlich
um zehn Minuten nach sieben ein Gärtner im Hof der kleinen
Straße, in welcher meine Wohnung nun erschüttert wird, mit einer
ohrenbetäubenden Maschine los, um den Bewohnern der Anlagen anzuzeigen,
dass er arbeitet. Nach zehn bis dreißig Minuten stellt er sein Gerät
ab, um geräuschlos weiterzuarbeiten. Damit fährt er fort, die Säge
heult und kreischt nur noch gelegentlich.
Manche Berliner Handwerker, die um sieben Uhr ihr Tagewerk beginnen,
machen sich einen Spaß daraus, Anwohner zu ärgern. Nun ist es so, dass
andere Leute wesentlich mehr arbeiten als ein solch angestellter
Handwerker, und deshalb gerne bis um 8 Uhr schlafen würden.
Beispielsweise ich als selbstständiger Kammerjägermeister habe eine
Siebentageswoche ohne Sonntagszuschlag. Unter einer Wochenarbeitszeit
von 80 Stunden geht es bei mir selten ab, allerdings sitze ich meist bis
spät in der Nacht über meinen Papieren: Giftverbrauch, Rechnungen,
Meldungen an die Hygieneämter, und manche Kammer muss ich sogar nachts
zur Jagd aufsuchen. Mein Geschäft hat Konjunktur, weil es den Menschen
in der Überzahl zu gut geht und sie Unmengen von Müll produzieren,
Lebensmittel wegwerfen oder unsachgemäß horten, wo sich dann mein
beschupptes, gepanzertes und pelziges Jagdwild wie im Schlaraffenland
einrichtet, bis man es entdeckt, seiner nicht mehr Herr wird und mich
dann zur Hilfe ruft.
Muss ich mich von Ihren Leuten (verübeln Sie mir bitte nicht, dass ich
sie „Ihre Leute“ nenne, weil das so klingt, als seien Sie auch für die
Manieren dieser Menschen zuständig) um sieben Uhr aus dem Schlaf reißen
lassen?
Es ist ohne Umstände für diese Handwerker möglich, ihre Arbeiten am
Nachmittag mit Krach zu beenden und am nächsten Morgen mit leiser
Arbeit zu beginnen. Es kann, wie gesagt, nur ein typisch berlinerischer
bösartiger Zug im Charakter dieser Leute sein, der sie bei sich sagen
lassen muss:
«Icke bin da, wenn ihr noch pennt!«
Oft sind sie misslaunig und müssen ihre schlechte Stimmung
herausposaunen. Alle Berliner kennen das. Die Handwerker geben es zu,
wenn man sie darauf anspricht. In anderen deutschen Städten ist diese
Unsitte nicht so verbreitet.
Es wäre höchst verdienstvoll für Sie, wenn Sie den Gärtnern und grundsätzlich
allen Handwerker, die sich hier betätigen, eine Anweisung gäben, vor
acht Uhr nicht zu lärmen und nett zu den Mietern zu sein, von deren
Geld sie bezahlt werden. Dies wäre ein bedeutender Beitrag zu einer
freundlicheren Welt mit mehr Sitte und Anstand, und ich würde, wenn es
funktionierte, einmal gratis in Ihrer Kammer jagen, wenn es Schlaraffen
zu jagen gibt.
Wollen Sie nicht mithelfen, Ihre Verwaltungsfirma in einer
Vorreiterin für eine serviceorientierte Welt zu verwandeln, die
der Berliner Unhöflichkeit den Kampf ansagt und Ihre Mieter dann auch
ausgeruht und froh in den Tag gehen lassen kann, wenn der Rasen gemäht
oder ein Baum beschnitten werden muss?
Ich frage mich im übrigen, was Gärtner tagelang auf so einer kleinen
Hoffläche treiben, wo nur wenige Bäume stehen, an denen sich mit
Motorsägen beschäftigt wird, nur um sie ein wenig zu beschneiden. Weder
wird von unserem Hof eine Holzfabrik beliefert noch tummeln sich Müßige
auf englischem Rasen, der ständig nach dröhnenden Mähmaschinen
verlangt. Ich könnte mir auch denken, dass die Gärtner von sieben bis
acht hier arbeiten, um sich akustisch zu zeigen und dann dorthin zur
Arbeit zu verschwinden, wo sie niemanden ärgern können und mit ihrem
Gehabe auf sich aufmerksam machen.
Ich rufe Sie, sehr geehrte Frau Haberditzel, im Name der Zivilisation
auf, einem Kammerjäger zu jener Ruhe zu verhelfen, die er
durch erquickenden Schlaf bis morgens um acht braucht,
um sein von den raschelnden Schritten des Jagdgutes beanspruchtes
feines Gehör zu erholen.
Waidmannsdank im voraus!
Ihr ergebener Momke Schleppegrell«
Berlin, Nov. 2003/ Idar-Oberstein, im November 2016
Wichtige Anmerkung: Diese
Satire habe ich vor 13 Jahren in der Berliner Zeitung
gefunden. Leider ist der Name des Autors dieser
aberwitzigen, die ewas schroffe Mentalität der
Berliner auf die Schippe nehmenden Zeilen, für mich nicht mehr
rekonstruierbar.